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Nachdem der preußische Prinz Wilhelm 1877 am Kasseler Gymnasium das Abitur abgelegt hatte, endete Georg Ernst Hinzpeters Dienst als sein Erzieher. Den Kontakt zu seinem ehemaligen „Zögling“ hielt Hinzpeter auch nach seinem Rückzug nach Bielefeld bis zu seinem Tode Ende 1907 aufrecht. Von seinen vielen Briefen an den Prinzen und späteren Kaiser ist nur der hier edierte Bruchteil erhalten geblieben. Randbemerkungen, Unterstreichungen und Verweise von der Hand Wilhelms II. dokumentieren, dass der Kaiser die Briefe seines ehemaligen Erziehers mindestens zur Kenntnis genommen hat.
Welch bedeutende Persönlichkeit Hinzpeter bis zu seinem Lebensende war, hat man in Bielefeld nur dann wahrgenommen, wenn der Kaiser zu Besuch in der Stadt weilte und dabei stets bei seinem alten Lehrer einkehrte. Ansonsten lebte Hinzpeter sehr zurückgezogen. Zu den führenden Personen der Stadt hatte er – mit Ausnahme zu Friedrich von Bodelschwingh – kaum Kontakt. Seine große Bühne war vor allem in der Zeit des Sturzes Otto von Bismarcks die Hauptstadt Berlin, wo er in den höchsten Kreisen verkehrte und von allen großen Persönlichkeiten wegen seiner fortdauernden Nähe zum Kaiser kontaktiert wurde. Dieser einst so einflussreiche Mann ist in Bielefeld heute weitgehend vergessen.
27. Sonderveröffentlichung des Historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg e.V.
Über den Autor
Prof. Dr. Gerhard Schneider
geboren 1943 in Buchen. Studium: Geschichtswissenschaft, Romanistik und Politikwissenschaft.
Professor für Geschichte und ihre Didaktik an der Pädagogischen Hochschule Freiburg.
Veröffentlichungen zur Regionalgeschichte und Didaktik der Geschichte
Pressestimmen
Der Bielefelder und sein Kaiser
In der Presse wurde der Name Georg Ernst Hinzpeters kaum erwähnt. Die politischen Kreise Berlins hingegen konnten den Bielefelder und seinen Einfluss sehr wohl einordnen. Reichskanzler Bismarck argwöhnte gar, dass Hinzpeter intrigiere und alles daran setze, ihn im Amt zu beerben. Der Historische Verein für die Grafschaft Ravensberg widmet Georg Hinzpeter seine 27. Sonderveröffentlichung. Seine Bedeutung erlangte Hinzpeter als Erzieher des künftigen deutschen Kaisers Wilhelm II. und dessen jüngeren Bruders Prinz Heinrich (nach dem immerhin eine Mütze benannt wurde). Von 1866 bis 1877 war der Bielefelder, dessen Vater Oberlehrer am Ratsgymnasium war, der Privatlehrer der preußischen Prinzen und blieb auch an ihrer Seite, als sie ihre letzten drei Schuljahre an einem Gymnasium in Kassel absolvierten. Hinzpeter hätte sie gerne in Potsdam beschult, die Mutter der Prinzen, Viktoria, bestand aber auf einer modernen, liberaleren Schule. Gleichwohl: Der Einfluss Hinzpeters auf seine Zöglinge war maßgeblich – und der Kontakt riss nie ab.
»Kaisers« besuchten den Bielefelder zuweilen in seiner durchaus ansehnlichen Villa am Oberwallgraben, zwischen dem Bürgerweg (heute Stapenhorststraße) und dem Zwinger gelegen, häufiger noch wurde ihr alter Lehrer aber regelmäßig nach Berlin eingeladen. Vor allem aber: Man schrieb sich. »Es müssen mehr als 100 Briefe hin und her gegangen sein«, sagt Prof. Dr. Gerhard Schneider. 29 dieser Briefe hat er nun in der Sonderveröffentlichung ediert und sachkundig erläutert, eingeordnet und kommentiert.
Hinzpeter wuchs in Bielefeld auf, besuchte hier das Ratsgymnasium und unterrichtete dort später auch ein halbes Jahr. Er war aber nicht gut genug und wurde nicht übernommenr. Aufgrund der Ablehnung musste er sich anderweitig verdingen: Er wurde Privatlehrer adliger Familien – und zuletzt eben der preußischen Prinzen.
»Sein Unterricht war freudlos, streng, trocken und humorfrei«, sagt Autor Schneider. Gleichwohl sei er ein relativ moderner Pädagoge gewesen: »Hinzpeter ist in Berlin mit den Prinzen in Fabriken gegangen, um ihnen die Arbeitswelt zu zeigen. Und er unternahm mit ihnen lange Wanderungen – am liebsten inkognito. So ist er anlässlich eines Ferienaufenthaltes in Bad Oeynhausen mit Willi und Heinrich vom Hermannsdenkmal zur Sparrenburg gewandert.
Nach dem Abitur der Prinzen setzte er sich in Bielefeld zur Ruhe, hielt aber den Kontakt. »Jeden Mittwoch ging ein Brief nach Berlin, und am Samstag antwortete der Kaiser«, sagt Schneider. Dabei kann er sich auf die Berliner »Saloniere« Marie von Bunsen berufen, die Insiderkenntnisse hatte. Ohnehin: Der Historiker ist tief in die Quellen eingestiegen, hat jedes ihm zugängliche Archiv besucht, um die Korrespondenz einzuordnen. Bei weitem nicht alles ist erhalten, einiges schlummert womöglich noch unentdeckt in Privatarchiven. Sicher ist, dass Hinzpeter auch mit anderen Persönlichkeiten im Briefwechsel stand (darunter der Mutter seiner Zöglinge) und er muss wohl auch Tagebuch geführt haben. Aber schon die 29 neu edierten Briefe geben Einblicke in seine politischen und sozialpolitischen Überzeugungen. »Immer wieder spricht er auch die Arbeiterfrage an, plädiert für bessere Löhne, mehr Arbeitsschutz und eine Gesundheitsversorgung«, sagt Schneider. Ganz ohne Wirkung blieb das nicht: Als Wilhelm II 1888 sein Amt antrat, wollte er ein »soziales Kaisertum« einführen. Er empfing auch streikende Bergarbeiter – zur Zeit der restriktiven Sozialistengesetze.
In einem der Briefe bezieht Hinzpeter, der wenig Kontakt mit der Bielefelder Gesellschaft suchte, Position für Friedrich von Bodelschwingh: Der Bethel-Gründer war von einem etwas zwielichtigen Menschen beschuldigt worden, Spendengelder in die eigene Tasche umzuleiten. Hinzpeter nahm ihn in einem Brief an den Kaiser in Schutz. Warum wird klar beim Blick in Bodelschwinghs Biografie: Er war in seiner Kindheit Spielkamerad von des Kaisers Vater Friedrich III., Hinzpeter durfte also annehmen, dass der Kaiser sich für diese Bielefelder Vorgänge interessierte. Ansonsten aber hatte der einstige Erzieher weiterhin mindestens ein Ohr in Berlin, »dort war er einer der bestgehassten Menschen«, sagt Schneider. Als »Schleicher« und »erbärmlicher Bursche« wurde er bezeichnet. Der Kaiser aber blieb ihm verbunden – obwohl Hinzpeter auch ihm in einem Gespräch unter vier Augen mit Bernhard Fürst von Bülow bescheinigte, dass ihm »jede philosophische, höhere, ins Innere gehende Begabung« fehle. In seinem Kern sei er durch Erziehung nicht zu beeinflussen.
Sabine Schulze, in: Westfalen-Blatt, 30.8.2023, Bielefelder Kultur
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
S. 7–12
Einleitung
Die Überlieferung
S. 13–22
Die Form
S. 23–26
Der Inhalt
S. 26–36
Der Briefeschreiber Georg Hinzpeter und seine Stellung in der Gesellschaft seiner Zeit
S. 37–51
Verzeichnis der Briefe
S. 53–55
Die Edition
S. 56–212
Anhang
Öffentlicher Widerspruch Hinzpeters gegen einen Bericht in den „Hamburger Nachrichten“
S. 213–214
Telegramm des Kaisers an Hinzpeter vom 28. Februar 1896, erschienen in der Tageszeitung „Die Post“ vom 15. Mai 1896
S. 215
Charakterisierung Hinzpeters durch Poultney Bigelow
S. 216–217
Einige weitere Briefe Hinzpeters an Kaiser Wilhelm II.
S. 218–226
Äußerungen Hinzpeters über „Kaiserin Friedrich“ am 20. Oktober 1903
S. 227–228
Abbildungen
S. 229–232
Bibliographie
Archivalien
S. 233
Gedruckte Quellen
S. 233–236
Tageszeitungen
S. 236
Literatur
S. 236–239