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Wurden Kinder in Erziehungsheimen, Krankenhäusern und ähnlichen Anstalten bis in die 1970er Jahre als Versuchsobjekte für die Erprobung neuer Arzneimittel missbraucht? Diese Frage beschäftigt seit geraumer Zeit Journalisten, Politiker und Wissenschaftler, vor allem aber auch Menschen, die einen Teil ihres Lebens in solchen Einrichtungen verbracht haben. Wie vielen anderen Institutionen stellte sich auch für die v. Bodelschwinghschen Stiftungen in Bethel als traditionsreiches und weithin bekanntes Zentrum der Epilepsiebehandlung die Frage nach dem Umgang mit Arzneimittelforschung in der eigenen Geschichte.
Das Buch ordnet die Arzneimittelprüfungen in Bethel in den rechtlichen, ethischen und institutionellen Kontext der Zeit ein. Besondere Aufmerksamkeit erfahren dabei sowohl die Forschung in der evangelischen Anstalt Bethel als auch exemplarische Geschichten damals betroffener Minderjähriger. Die Ergebnisse bereichern die Institutionsgeschichte Bethels ebenso wie die überregionalen Debatten über Arzneimittelprüfungen an Kindern und Jugendlichen nach dem Zweiten Weltkrieg.
ÜBER DIE AUTOREN
Niklas Lenhard-Schramm,
Dr. phil. Studium der Geschichte, Philosophie und Chemie in Münster. Seit 2020 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Historischen Seminar der Universität Hamburg. Forschungsschwerpunkte: Geschichte der Arzneimittel und ihrer Regulierung, Geschichte der Patientenrechte, Verwaltungsgeschichte, Kultur- und Politikgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts.
Dietz Rating,
Prof. Dr. med. Studium der Medizin in Hamburg, Würzburg, Kiel, Tübingen und Berlin. Professur fur Pädiatrie und Chefarzt der Abteilung fur Pädiatrische Neurologie, Epilepsiezentrum an der Klinik fur Kinder- und Jugendmedizin der Universität Heidelberg. Forschungsschwerpunkte: Epilepsien des Kindesalters, Antiepileptika, Stoffwechselstorungen, Neuromuskulare und Neurodegenerative Erkrankungen des Kindesalters.
Gitta Reuner,
Prof. Dr. sc. hum. Studium der Musiktherapie und Psychologie in Heidelberg und Mannheim. Seit 2018 eigene Praxis fur Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie mit Schwerpunkt in der Versorgung chronisch somatisch kranker Kinder und außerplanmäßige Professorin der Universität Heidelberg. Forschungsschwerpunkte: Neuropsychologie bei Epilepsie, psychische Gesundheit bei körperlicher Erkrankung, Schule und Krankheit.
Maike Rotzoll,
Prof. Dr. med. Geboren 1964. Studium der Medizin und Geschichte in Lübeck, Florenz und Heidelberg.
Seit 2017 außerplanmäßige Professorin für Psychiatrie und Medizingeschichte an der Universität Heidelberg. Forschungsschwerpunkte: Medizin der Frühen Neuzeit, Psychiatriegeschichte im 19. und 20. Jahrhundert, Medizin im Nationalsozialismus, Kunst aus psychiatrischem Kontext, Kollektive Biographie in der Medizin- und Wissenschaftsgeschichte.
Inhaltsverzeichnis
Danksagung • 8
Einleitung • 10
Fragestellung und Aufbau • 18
Quellen • 26
Teil I: Arzneimittel und medizinische Forschung in der Bundesrepublik Deutschland 1949-1975
1. Allgemeine Rahmenbedingungen • 32
1.1 Gesellschaft und Gesundheitswesen in der frühen Bundesrepublik • 32
1.2 Arzneimittelregulierung in der frühen Bundesrepublik • 34
2. Rechtliche Rahmenbedingungen • 39
2.1 Ärztliche Eingriffe und Selbstbestimmungsrechte der Patienten • 39
2.2 Einwilligungspflicht bei Minderjährigen • 42
2.3 Experimente und Heilversuche • 43
3. Ethische Rahmenbedingungen • 49
4. Praktische und habituelle Rahmenbedingungen • 53
4.1 Die klinische Arzneimittelerprobung an Kindern und Jugendlichen • 53
4.2 Arzneimittelstudien und Einwilligung • 57
Teil II: Kosmos Bethel – ein spezifischer sozialhistorischer Kontext der Arzneimittelerprobungen
5. Der Anstaltsraum Bethel • 64
5.1 Klinikviertel im Anstaltskosmos. Die Forschungsklinik (Neu-)Mara als Kristallisationskern von Konflikten zwischen ärztlichen und geistlichen Interessen • 66
5.2 Zentrum und Peripherie? Ausdifferenzierung im Anstaltsraum als Einflussgröße für Forschung • 69
6. Routinen und Individuen. Minderjährige Patienten und ihre Geschichten zwischen Aufnahmeklinik und Langzeitbereich • 73
7. »Zu den Quellen der Störungen«. Forschung in Bethel nach dem Zweiten Weltkrieg • 85
Bildteil • 91
Teil III: Arzneimittelprüfungen und Arzneimittelverordnungen an Minderjährigen im Langzeitbereich der Stiftung Bethel in den Jahren von 1949 bis 1975 (unter Ko-Autorenschaft von Gitta Reuner)
8. Methodik und Hypothesen • 132
8.1 Beschreibung der Stichprobe • 132
8.2 Variablen und Erfassung der Prüfpräparate • 135
8.3 Allgemeine Hypothesen über den Einsatz von codierten Prüfpräparaten • 138
8.4 Spezielle Hypothesen für den Einsatz von Antiepileptika-Prüfpräparaten • 139
9. Ergebnisse und Interpretationen • 141
9.1 Allgemeine Beschreibung der Studienpopulation • 141
9.1.1 Soziale Situation, Berufe und Schicht der Eltern • 147
9.1.2 Beziehung der Eltern zu ihren Kindern und der Wunsch nach einer Unterbringung in Bethel • 147
9.1.3 IQ und kognitiver Entwicklungsstand bei Aufnahme • 148
9.2 Arzneimittelprüfungen von Antiepileptika • 149
9.2.1 Ciba, Geigy, Sandoz • 152
9.2.2 Hoffmann-La Roche • 156
9.2.3 Bayer AG • 156
9.2.4 Sonstige (Asta, Knoll, Desitin, Nordmark und andere) • 163
9.2.5 Synopsis Antiepileptika-Prüfungen • 168
9.2.6 Effekte und unerwünschte Arzneimittelwirkungen bei der Therapie mit einem Antiepileptikum-Prüfpräparat • 172
9.2.7 Einverständniserklärung • 172
9.2.8 Beziehungen zu anderen Parametern • 173
9.3 Arzneimittelprüfungen von Psychopharmaka-Präparaten • 178
9.3.1 Bayer AG • 179
9.3.2 Merck AG • 186
9.3.3 Hoffman-La Roche und andere • 190
9.3.4 Synopsis Psychopharmaka-Prüfungen • 190
9.4 Exkurs: Verordnung von Psychopharmaka • 193
9.5 Arzneimittelprüfungen mit dem Tuberkulostatikum TB I/698 • 203
9.6 Therapie mit Antiepileptika, die noch nicht oder nie auf dem bundesdeutschen Markt waren (non-BRD-Markt-Präparate) • 205
9.7 Finanzielle Zuwendungen für Arzneimittelerprobungen • 218
Zusammenfassende Schlussbetrachtung • 219
Anhang
1. Zur Methodik • 234
2. Allgemeine Beschreibung der Studienpopulation • 235
3. Arzneimittelprüfungen von Antiepileptika • 243
4. Arzneimittelprüfungen von Psychopharmaka • 248
5. Exkurs Psychopharmaka • 251
6. Non-BRD-Präparate • 253
Verzeichnisse
Konkordanz Patienten-IDs und Archivakten • 258
Abkürzungsverzeichnis • 263
Quellenverzeichnis • 265
Literaturverzeichnis • 267
Personenverzeichnis • 282
Autorinnen und Autoren • 284